Medizintechnik-Export in die USA: Herausforderungen für deutsche Medtech-Unternehmen
Ein Fachartikel von Dr. Lara Petersen / GHA
Medizintechnik-Export: Die USA sind heute der größte Markt für Medizintechnik weltweit und bisher ein wichtiger Wachstums- und Innovationsstandort für Unternehmen der Medizintechnikbranche. Nach aktuellen Prognosen sollen die Gesundheitsausgaben bis 2032 um 50 Prozent steigen. Bereits in diesem Jahr 2025 wird der Markt für Medizintechnikprodukte nach Schätzungen von Statistica bei 257,1 Mrd. Dollar liegen.
Es wird erwartet, dass der Umsatz im Zeitraum von 2025 bis 2029 eine jährliche Wachstumsrate von 5 Prozent aufweisen wird, was zu einem prognostizierten Marktvolumen von 313 Mrd. Euro im Jahr 2029 führen wird.
Deutsche Innovationskraft gefragt
Der US-Markt zeichnet sich durch zahlreiche innovative Entwicklungen und den Einsatz fortschrittlicher Technologien aus. Schlüsselbereiche mit hohem Potenzial umfassen digitale Gesundheitstechnologien, Robotik in der Chirurgie, personalisierte Medizin und vernetzte Medizingeräte. Diese Trends bieten sowohl aktuell als auch perspektivisch spannende Möglichkeiten für deutsche Unternehmen, mit hochwertigen Produkten und Lösungen mit Medizintechnik-Export auf dem US-Markt Fuß zu fassen.

Medizintechnik-Export in die USA: Risiken eines Markteintritts
Der amerikanische Markt bietet Medtech-Unternehmen zwar enorme Chancen, gleichzeitig stehen die Firmen aktuell vor zahlreichen Risiken und Herausforderungen. Dies betrifft zum einen die Zölle. Die handelspolitische Ausrichtung unter Trump ist geprägt von „America First“-Strategien, sein Ziel ist es, die heimische Produktion wiederaufzubauen oder zu stärken.
Am 2. April verkündete US-Präsident Donald Trump deshalb umfassende Maßnahmen zur Erhebung neuer Importabgaben. Vorgesehen war zunächst ein pauschaler Zollsatz von 20 Prozent auf Waren aus der EU. Da der Zollsatz nicht zwischen Produktgruppen differenziert, würden auch medizinische Erzeugnisse unter diese Regelung fallen. Hinzu kommt, dass viele Medizintechnikfirmen auf Stahl- und Aluminiumkomponenten angewiesen sind – Materialien, die nun ebenfalls mit einem Aufschlag von 25 Prozent besteuert werden sollen. Zwar setzte Trump die Zölle bereits am 9. April erneut aus, doch wie es in dieser Frage weitergeht, ist derzeit völlig offen.
Eine weitere Herausforderung, welche die deutschen Medtech-Unternehmen beim Thema Medizintechnik-Export belastet, ist der massive Stellenabbau der FDA. Dieser sorgt dafür, dass Zertifizierungsprozesse zum Stillstand kommen oder stark verlangsamt werden, aber auch E-Mails mit Fragen nicht mehr beantwortet werden und Beratungen nicht mehr stattfinden. Außerdem haben sich die USA aus den aktuell laufenden internationalen Verhandlungen der IEC 60601-Norm zurückgezogen. Dies kann gravierende Auswirkungen auf die Harmonisierung von Standards haben und sorgt damit für Unsicherheiten in der Branche.
Strategie: Vor Ort produzieren
Eine Möglichkeit, die Zölle beim Medizintechnik-Export zu umgehen, ist die Option, in den USA Standorte aufzubauen und vor Ort zu produzieren – was einige der deutschen Unternehmen bereits erfolgreich vormachen, darunter die GHA-Mitglieder Cherry, Siemens Healthineers, B. Braun, Ottobock, Drägerwerk, W.O.M., KLS Martin oder Fresenius Medical Care. Die im Moment unsichere Lage führt allerdings dazu, dass Unternehmen ihre Investitionsentscheidungen eher zurückhalten.
Deutsche Medizintechnik ist auf dem US-Markt aktuell weiterhin aufgrund ihrer hohen Qualität und Innovationskraft gefragt. Deutsche Unternehmen haben sich in Bereichen wie bildgebender Diagnostik, minimal-invasiver Chirurgie (z. B. WOM), Orthopädie und Implantat-Technologie (darunter KLS Martin, Ritter oder Bredent Medical), bereits gut positioniert. In diesen Segmenten profitieren sie von ihrem Ruf für Präzision, Zuverlässigkeit und technologische Exzellenz.
Gleichzeitig gibt es in wachstumsstarken Bereichen wie der digitalen Gesundheitsversorgung, Robotik, Wearable-Technologie und personalisierten Therapieansätzen noch ungenutztes Potenzial. Hier könnten deutsche Unternehmen verstärkt mit innovativen Lösungen punkten. Zu den stärksten Wettbewerbern zählen neben großen US-amerikanischen Konzernen wie Medtronic, Johnson & Johnson und Boston Scientific auch zunehmend asiatische Anbieter, die mit kostengünstigen Alternativen auf den Markt drängen.
Medizintechnik-Export: So gelingt der Markteintritt
Wie gelingt Unternehmen trotz der Herausforderungen der Eintritt in den Markt? Maik Kränkel, Vorsitzender der AG Nordamerika der GHA und Senior Vice President Business Development beim Leipziger Unternehmen ACL, betont die Bedeutung der Netzwerke in den USA: „In den USA sind die Universitäten eng mit der Politik und den Unternehmen verbunden. Dadurch entstehen starke Netzwerke und Cluster, die Innovationen und Wachstum hervorbringen. Sie sind sehr interessiert an der Kooperation mit deutschen Unternehmen und stellen deshalb gute Anknüpfungspunkte für uns dar.“
Neben den Universitäten und der Politik gehören die Economic Development Corporations (EDCs) der einzelnen Bundesstaaten zu den möglichen Anlaufstellen für deutsche Firmen. Sie haben die Aufgabe, gezielt Investitionen zu fördern. „Sie bieten“, so Stefan Leitz, Vorsitzender der AG-Nordamerika der GHA und Director Global Business Development und Sales bei der Cherry Digital Health GmbH, „aber auch den Unternehmen Unterstützung an, die nicht gleich investieren wollen, sondern erstmal den Markt für sich erschließen wollen.“
Während deutsche Medtech-Produkte in den USA für ihre technische Präzision und Qualität geschätzt werden, besteht dringender Aufholbedarf in den Bereichen Digitalisierung und Künstliche Intelligenz (KI). Der US-Markt setzt zunehmend auf datengetriebene Lösungen, von KI-gestützten Diagnosetools bis hin zu digitalen Plattformen für Patientenmanagement und Versorgungsoptimierung. Unternehmen, die innovative digitale Anwendungen anbieten, sichern sich entscheidende Wettbewerbsvorteile.
Viele der deutschen Hersteller sind in diesem Bereich allerdings bisher nicht wettbewerbsfähig aufgestellt. Leitz betont: „Es ist leider erschreckend, wie weit ein Großteil der amerikanischen Unternehmen den deutschen hinsichtlich der Nutzung von digitalen Lösungen und KI voraus sind. Hier besteht dringender Nachholbedarf bei den deutschen Medech-Unternehmen. Wir müssen viel mehr in diese Technologien investieren und auch Partnerschaften mit Technologieunternehmen eingehen, um wettbewerbsfähig zu bleiben und die Anforderungen des Marktes zu erfüllen. Nur so können wir uns in einer zunehmend digitalen Gesundheitswelt behaupten.“
Welche Möglichkeiten gibt es, trotz voraussichtlich durch Zölle und weiterer Handelshemmnisse steigender Preise Absatz in den USA zu sichern? Leitz meint: „Wir müssen uns als deutsche Unternehmen zusammentun und gemeinsam Lösungen anbieten. Mit unternehmerischer Kreativität und Innovation kann es uns gelingen, Relevanz zu schaffen und Marktanteile zu sichern.“
GHA: Arbeitsgruppe Nordamerika
Um ihre Mitglieder beim Medizintechnik-Export und ihren Aktivitäten in den USA sowie Kanada zu unterstützen, gründete die GHA Anfang 2024 die AG Nordamerika. Die Mitglieder treffen sich regelmäßig, um sich über aktuelle Entwicklungen auszutauschen und Erfahrungen zu teilen. Die AG reiste im Dezember 2024 mit zwölf Mitgliedsunternehmen nach Chicago, Minneapolis und Minnesota. Diese drei Städte gelten als das Zentrum der Medizintechnikbranche in den USA. Vor Ort trafen sie sich politischen Vertretern, Experten für den Markt. Außerdem besuchten sie zahlreiche Universitäten und Kliniken, wie die berühmten Mayo-Kliniken, die zu den besten Krankenhäusern der Welt gehören.
Der Artikel ist am 26.05.2025 bei MTD erschienen und unter diesem Link abrufbar.