Corona in Entwicklungsländern

“Wer sieht, vor welche Herausforderung die Corona-Pandemie gut aufgestellte Gesundheitssysteme stellt, der braucht nicht viel Fantasie, um sich die Situation in Ländern mit schwächeren Infrastrukturen vorzustellen“, sagte DAHW-Geschäftsführer Burkard Kömm anlässlich des Welt-Tuberkulose-Tags 2020. Afghanistan ist wie viele weitere Entwicklungsländer schlecht gerüstet für eine Gesundheitskrise. Die Gesundheitssysteme sind geschwächt und sogar einfachste präventive Maßnahmen wie richtiges Händewaschen sind aufgrund von Wassermangel und fehlender Seife nicht durchführbar, über Mindestabstand muss in der extremen Enge der Slums oder in Flüchtlingscamps gar nicht erst gesprochen werden. Hinzu kommt, dass Afghanistan, ein flächenmäßig sehr großes Land mit infrastrukturellen Problemen, nur ein einziges Labor hat, das Proben auf COVID-19 testen kann.

Es ist demnach davon auszugehen, dass die Dunkelziffer der Infektionsfälle wesentlich höher ist als die tatsächlich bestätigten Zahlen. „Die Diagnose der Krankheit ist Glückssache“, schreibt der Verein OFARIN e.V. (Organisation zur Förderung afghanischer regionaler Initiativen und Nachbarschaftshilfen) in seinem Rundbrief. „Niemand ist in der Lage, die Verteilung der Krankheit abzuschätzen. Die Regierung macht keine Angaben darüber. Sie kann es einfach nicht. Das verstärkt die Furcht. Niemand kann Maßnahmen durchsetzen, die die Bewegungsfreiheit einschränken. Wo Quarantäne verordnet wird, wird sie nicht eingehalten“.

Lebensverhältnisse begünstigen Verbreitung

“Verdachtsfälle schnell testen, Schutzausrüstung aufstocken, all das sind Maßnahmen, die hier nicht so selbstverständlich durchgeführt werden können wie beispielsweise in europäischen Ländern mit intaktem Gesundheitssystem”, weiß Juliane Meißner, Leiterin des Regionalteams Asien bei der DAHW. “Zudem erhöhen miserable Ernährungs-, Hygiene- und Wohnverhältnisse das Infektionsrisiko von ganz allein.” Jahrelange Kriege und Unruhen haben nicht nur das Gesundheitssystem, sondern auch das Vertrauen der Menschen in die Politik erheblich geschwächt. Und letztlich besteht auch die Gefahr, dass Menschen ihre Erkrankung aus Angst vor Ausgrenzung möglichst lange verheimlichen, wodurch Heilungschancen sinken und das Risiko der Ausbreitung steigt – “ein Problem, das uns aus der Tuberkulose- und Lepra-Arbeit nur allzu gut bekannt ist”, so Meißner.

“Unsere größte Sorge ist, dass Covid-19 auf Länder mit schwächeren Gesundheitssystemen übergreift”, so WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus zu Beginn der Pandemie. Gemeinsam mit LEPCO versucht die DAHW, die Mitarbeiter*innen vor Ort zu stärken, zu motivieren und durch präventive Maßnahmen, Hygieneschulungen und viel Aufklärungsarbeit auf das vorzubereiten, was kommen wird.

 

Die DAHW in Afghanistan

Die DAHW ist seit Anfang der 1970er-Jahre in Afghanistan tätig – heute nur noch mithilfe der langjährigen Partnerorganisation LEPCO, die 1984 von der Lepraärztin Dr. Ruth Pfau gegründet wurde, um damit – gemeinsam mit der DAHW – ein nationales Lepra- und TB-Kontrollprogramm in Afghanistan aufzubauen. Doch auch dies konnte durch die Wirren von Kriegen und Bürgerkriegen nie wirklich vollendet werden, zum Leidwesen der Betroffenen. Aufgrund von Naturkatastrophen, politischen Konflikten und Kriegen leistet die DAHW hier zunehmend auch Nothilfe.

Ende 2018 flohen allein aus der Provinz Ghazni rund 18.000 Menschen vor schwer bewaffneten Kämpfen in die Nachbarprovinz Bamiyan, um Schutz vor Gewalt und extremer Kälte zu finden. In der Region Hazarajat ist die DAHW seit vielen Jahren mit ihrer afghanischen Partnerorganisation LEPCO aktiv. Gemeinsam starteten sie ein Soforthilfe-Projekt und sorgten mit mobilen Kliniken für eine allgemeine Gesundheitsversorgung.

Foto: LEPCO