Covid-19 schlägt um sich. Das Bewusstsein für unsere medizinische Versorgung ändert sich gerade radikal. Das öffentliche Leben steht in weiten Teilen still, um die Ausbreitung von Covid-19 zu verlangsamen. Krankenhäusern und niedergelassenen Ärzten mangelt es an Atemschutzmasken und anderer persönlicher Schutzausrüstung.
Hersteller von Produkten aus Diagnostik, Pharma und Medizintechnik arbeiten auf Hochtouren, um Krankenhäuser, medizinisches Personal, niedergelassene Ärzte und somit Patienten mit medizinischen Geräten, Tests und persönlicher Schutzausrüstung versorgen zu können.
Auch die Mitglieder der GHA – German Health Alliance engagieren sich in der Bekämpfung der Coronavirus-Pandemie und meistern die damit verbundenen immensen Herausforderungen. Siemens Healthineers, B. Braun, Bayer, Boehringer Ingelheim, Dräger, MEIKO und Merck haben den Kampf gegen Covid-19 bereits frühzeitig vor Ort in China mit Sach- und Geldspenden unterstützt. Die GHA-Mitglieder ATMOS, B. Braun, Dräger, Getinge, Protec und Zeppelin haben
seit Anfang 2020 aus aller Welt eine deutlich gesteigerte Nachfrage nach ihren Produkten beobachtet.
Für alle GHA-Mitglieder steht bei der täglichen Arbeit der bestmögliche Schutz der Mitarbeiter an erster Stelle. Aus dieser Fürsorgepflicht heraus wurden Besuche in klinischen Einrichtungen minimiert und Besprechungen finden per Telefon oder Videokonferenz statt. Die Produktion findet häufig zweigeteilt im Zwei-Schicht-Prinzip statt, damit die Mitarbeiter sich nicht begegnen. „Durch eine zeitliche und räumliche Trennung unserer Mitarbeiter können wir Kreuzkontaminationen vermeiden und dadurch die Produktion sicherstellen“, betont Maik Greiser, Geschäftsführender Gesellschafter bei ATMOS. Wie alle Medizintechnikprodukte herstellende GHA-Mitglieder nimmt auch Getinge seine Verantwortung sehr ernst, um medizinische Einrichtungen in der Patientenversorgung zu unterstützen und mit der notwendigen Ausrüstung zu versorgen. Seit Januar 2020 hat Getinge eine weltweit gestiegene Nachfrage nach Beatmungsgeräten, ECMO / ECLS-Geräten (extrakorporale Membranoxygenierung/extrakorporaler Life Support) und Produkten für das erweiterte hämodynamische Monitoring festgestellt und erwartet einen weiteren Anstieg. Um die Nachfrage nach Beatmungsgeräten zu befriedigen, hat Getinge am 17. März eine vorübergehende Produktionssteigerung bei Beatmungsgeräten um 60% gegenüber 2019 in seiner Produktionsstätte in Solna, Schweden, angekündigt. Es bestehe ein enger Dialog mit den Lieferanten und es habe bisher keine größeren Störungen gegeben. Aufgrund der weltweiten Präventionen sowie Reise- und Transportbeschränkungen seien grundsätzlich Auswirkungen auf Zulieferer sowie auf die gesamte Logistikkette nicht auszuschließen.
Auch Drägerwerk AG & Co. KGaA hat in den vergangenen Wochen die Produktionskapazitäten erheblich ausgeweitet. Die Produktionsstätten für Atemschutzmasken in Schweden und Südafrika seien voll ausgelastet und laufen rund um die Uhr. In Lübeck produziert Dräger aktuell fast doppelt so viele Beatmungsgeräte wie vorher. Vom deutschen Bundesgesundheitsministerium für Gesundheit hat Dräger Großaufträge über die Lieferung von Beatmungsgeräten und Monitoren erhalten. Und auch aus dem Ausland kommen Aufträge. Am 18. März hat das Unternehmen beispielsweise über 100 Beatmungsgeräte von Deutschland aus auf den Weg nach Italien gebracht. Dräger will seinen Service vor Ort in den Krankenhäusern so lange es geht aufrechterhalten, um die Funktionsfähigkeit der Produkte zu erhalten bzw. wiederherzustellen. Das Unternehmen arbeitet mit Hochdruck daran, seine Produktionskapazitäten noch weiter auszubauen. Hier zahle sich aus, dass Dräger schon vor einigen Jahren in eine Zukunftsfabrik mit modernsten industriellen Fertigungsmethoden investiert hat. Mit den Mitarbeitern seien innovative Arbeitsorganisations- und –zeitmodelle vereinbart, was die nötige Flexibilität ermögliche, auf das derzeit sehr hohe Auftragsvolumen reagieren zu können.
Bei ATMOS MedizinTechnik GmbH & Co. KG läuft die Produktion ebenfalls auf Hochtouren, da Produktgruppen wie Saug- und Drainagesysteme, wie z.B. das weltweit erste digitale Thoraxdrainage-System, in der Corona-Krise Leben retten können. Maschinell beatmete Patienten benötigen ein Atemabsauggerät oder sogar auch eine Thoraxdrainage. „Wir leisten hier einen systemrelevanten Beitrag zur Bekämpfung von Covid-19“, so Greiser. Seit Anfang März verzeichnet ATMOS aus der ganzen Welt eine gestiegene Nachfrage. Die Anzahl der Aufträge aus dem Produktbereich der medizinischen Absaugsysteme (Kleinsauger, Notfallsauger, Flowmeter und Thoraxdrainagen) hat sich im ersten Quartal 2020 prozentual verdoppelt. Das Bundesministerium für Gesundheit flankiert ATMOS bei seiner Produktion zur Bekämpfung von Covid-19. In einem Schreiben vom 23.3.2020 fordert das Bundesministerium für Gesundheit Zulieferer auf, die Produktionskapazitäten der Firma ATMOS durch weitere Belieferung zu sichern und aufrechtzuerhalten. „Das Coronavirus gilt als großes Gesundheitsrisiko und die deutsche Regierung ergreift entschiedene Maßnahmen, um die zukünftige Ausbreitung zu stoppen und die Gesundheitsdienste in jeder Hinsicht zu stärken, um die Patienten so behandeln zu können, wie es notwendig sein wird. Die deutsche Regierung bittet daher um die Unterstützung von Maßnahmen zur Eindämmung der zukünftigen Ausbreitung des Coronavirus“, ist dort zu lesen.
B. Braun Melsungen AG sieht sich einer gestiegenen Nachfrage nach Produkten zur Desinfektion und Hygiene sowie persönlicher Schutzausrüstung, aber auch Produkten zur sicheren Infusions- und Arzneimitteltherapie, Anästhetika, Infusionsund Spritzenpumpen, Akutdialyse-Maschinen sowie invasiven Druckmessung gegenüber. „Auch In diesen schwierigen Zeiten setzen wir alles daran, unsere Kunden zu unterstützen, damit die Behandlung der Patienten weltweit gewährleistet bleibt. Dies ist in der aktuellen Situation der Corona-Pandemie eine besondere Herausforderung“, sagt Pierre Nasser, Vertriebsleiter International bei B. Braun. Für die Produkte im Bereich der persönlichen Schutzausrüstung (Gesichtsmasken, Kopfhauben, OP-Mäntel), die B. Braun nicht selbst herstellt, kann die Belieferung derzeit nicht gewährleistet werden. Im Bereich der OP- und Untersuchungshandschuhe, die aus Asien bezogen werden, können kontinuierliche Wareneingänge verzeichnet werden. B. Braun hat den Forecast für das komplette Kalenderjahr um maximal machbare 20% erhöht. Es kann immer zu kurzfristigen Lieferengpässen und Lieferungen vergleichbarer Produktvarianten kommen. Produkte zur Hände- und Flächendesinfektion werden im Werk in Sempach, Schweiz, selbst hergestellt. Auch hier konnten die Produktionskapazitäten durch Schichtaufbau und Reduktion der Variantenvielfalt um ca. 20% erhöht werden. Hierdurch könne die Versorgung der bestehenden Kunden im Krankenhausmarkt sowie im ambulanten Sektor sichergestellt werden. Die Versorgungssicherheit in der Anästhesie und Intensivmedizin nimmt für B. Braun einen hohen Stellenwert ein. Für das Portfolio der sicheren Infusions- und Arzneimitteltherapie (Medical- und Pharmaprodukte) können durch die Auslastung der Produktion die Bedarfe derzeit gedeckt werden. Bei Infusions- und Spritzenpumpen sowie Akutdialyse-Maschinen wird mit Hochdruck produziert. Für die Belieferung müssen jedoch wöchentliche Kontingente zugeteilt werden, was zu Lieferverzögerungen führe, erklärt B. Braun.
Bei einem unserer kleineren mittelständischen Mitglieder, dem Hersteller von digitalen Röntgensystemen Protec GmbH & Co. KG, läuft die Produktion auf Hochtouren unter Vollauslastung. Protec legt dabei ebenfalls größten Wert auf den Schutz der Mitarbeiter und hat interne Isolationsmaßnahmen veranlasst. „Besonders hoch ist derzeit die Nachfrage nach mobilen digitalen Röntgensystemen aus unserer Proslide Linie für den Notfallbereich. Sie ist im europäischen aber auch internationalen Bereich um das Vierfache angestiegen. Obwohl wir seit Ende Februar proaktiv mehr Komponenten disponiert und unsere Bestände hochgefahren haben, sind diese Überbestände bei mobilen Systemen bereits wieder vergriffen, bei unseren stationär zu installierenden Lungenstativ-Systemen ist der Vorrat derzeit noch ausreichend“, führt Björn Salwat, kaufmännischer Geschäftsführer bei Protec aus. Als Hersteller systemrelevanter Produkte zu Untersuchungszwecken wird Protec derzeit noch gut beliefert. Trotzdem ist mit verlängerten Lieferzeiten zu rechnen. „Glücklicherweise haben wir bisher keine Totalausfälle in der Lieferkette. Im asiatischen Raum läuft die Bauteile-Produktion bereits wieder, wenn auch noch nicht in früherem Umfang, gut an. Unsere norditalienischen Lieferanten haben jedoch größte Probleme“, betont Salwat.
Das GHA-Mitglied Zeppelin Mobile Systeme GmbH ist einer der Marktführer als Systemlieferant für mobile medizinische Unterbringungs- und Versorgungssysteme aus einer Hand, insbesondere für hochsensible Bereiche wie Intensiv- oder Isolationsstationen. Die Firma bietet dabei schlüsselfertige Produkte mit kompletter Medizintechnik an. Diese Systeme können sowohl als Erweiterung für bestehende Krankenhäuser genutzt werden, wie auch komplett isoliert von jeglicher bestehenden Infrastruktur. Während der letzten beiden Wochen war die Nachfragedichte aufgrund der Corona- Krise entsprechend hoch. Lagerbestände seien bei Zeppelin daher derzeit nicht mehr verfügbar. Zeppelin hat seine Kapazitäten trotz der aktuellen Einschränkungen noch einmal erhöht und seine Lieferzeit verkürzen können. Die schnellstmögliche Lieferzeit für Komplettsysteme betrage momentan zwei Monate ab Auftrag. Diese Situation ändere sich derzeit jedoch täglich aufgrund eingehender Bestellungen und auch aufgrund wegbrechender Lieferketten. „Dennoch ist vielen Kunden aktuell eine
Lieferzeit von 2-3 Monaten zu lange“, sagt Zeppelin Vertriebsleiter Alexander Lutz. „Dabei ignorieren sie erstens, dass uns diese Problematik noch wesentlich länger begleiten wird und zweitens, dass die Lieferzeiten in den nächsten Monaten nicht besser werden. Jetzt rächt sich, dass die Regierungen das Thema der Katastrophenvorbereitung jahrelang ignoriert haben.“
Das aktuelle Portfolio, auf das sich Zeppelin in der Pandemiebekämpfung konzentriert, besteht aus drei Hauptsystemen: Eine kleine, schnell verlegbare Isolationsstation mit 6 Intensivbetten oder bis zu 12 normalen Patientenbetten, eine Intensivstation im Container mit 4 Intensivbetten (multiplizierbar) sowie ein 40-50- Betten Hospital, zeltbasiert, mit Intensiv- und High Dependency Betten, sowie anderen Hospitalbereichen und Versorgungseinheiten.
Neben den Medizintechnikunternehmen engagieren sich auch die Pharmaunternehmen unter den Mitgliedern der GHA. So hat Johnson & Johnson Medical GmbH mit seiner Pharmasparte Janssen die Entwicklung eines Impfstoffkandidaten gegen SARS-CoV-2-Virus gestartet und arbeitet an der Überprüfung einer Datenbank mit bestehenden antiviralen Therapien mit.
Die Bayer AG hat sich mit anderen Herstellern in der COVID-19 Therapeutics Accelerator Initiative zusammengeschlossen, die von der Bill & Melinda Gates Foundation ins Leben gerufen wurde, um seine umfangreiche Wirkstoffbibliothek zu öffnen und wirksame neue Wirkstoffe gegen COVID-19 zu finden und zu entwickeln. Außerdem weitet Bayer seine Kapazitäten aus, um große Mengen an PCR-Tests in seinen Labors anbieten zu können, z. B. 10.000 Tests pro Tag in Wuppertal. Die Coronavirus-Pandemie trifft alle gleichermaßen hart und unerwartet und ist für jeden einzelnen Betroffenen besonders schlimm.
Die GHA-Mitglieder stellen sich dieser bisher nie da gewesenen Herausforderung mit großem Einsatz und Erfolg – für uns alle. Kurzfristig sollte jeder Endkunde und Händler im Gesundheitssystem proaktiv handeln, fordert Salwat auf. „Wer jetzt weiter mit notwendigen Bestellungen zögert, steht bald noch weiter hinten. Denn der Bedarf wird weiter steigen, die Produktionen in Rückstand geraten und sich die Lieferzeiten weiter verlängern“, warnt Salwat.