Herr Roland Göhde, Vorstandsvorsitzender der GHA – German Health Alliance, erkundigt sich bei Herrn Bundesminister Karl Lauterbach nach verlässlichen Gestaltungsmechanismen. Mehr unter der Überschrift „Das Geld ist knapp“.
Die deutsche G7-Präsidentschaft neigt sich dem Ende entgegen. Zeit für eine Bilanz mit Blick auf die Gesundheitsthemen: Die Ziele wurden zwar richtig gesetzt, so Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, doch wie man dorthin kommen sollen, sei teilweise noch nicht klar.
Drei große Themen hat sich Deutschland zu Beginn seines G7- Vorsitzes im Bereich Gesundheit vorgenommen: Man wollte die Vorreiterrolle beim Engagement für Pandemievorsorge und – bekämpfung ausbauen, die Gesundheitsaspekte des Klimawandels in den Blick nehmen und Lösungen für die Probleme finden und den Kampf gegen antimikrobielle Resistenzen (AMR) intensivieren. Was bis hierhin erreicht werden konnte, das bilanzierte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) gestern in einer Online-Veranstaltung des Global Health Hubs Germany.
Grundsätzlich sei die Arbeit der G7 durch den Einmarsch Russlands in die Ukraine extrem verkompliziert worden – „niemand hat mit dieser enormen Aggression gerechnet“, sagte Lauterbach. Auch mit Blick auf den Public-Health-Bereich habe das einige Folgen mit sich gebracht. Die humanitäre Hilfe sei in kürzester Zeit ausgebaut worden, Deutschland habe wie viele andere europäische Länder eine große Zahl an Kriegsflüchtlingen aufgenommen und deren Gesundheitsversorgung sicherstellen müssen. Darüber hinaus seien in den vergangenen Monaten ein Drittel der im Ausland behandelten schwerstverletzten ukrainischen Soldaten hierzulande behandelt worden. Deutschland habe außerdem auch Hilfe zur Selbsthilfe geleistet und beispielsweise Chirurgen in einem Unfallkrankenhaus in Berlin für die Versorgung besonders schwerer Verletzungen ausgebildet. Nicht zuletzt seien Arzneimittel und Prothesen in die Ukraine geliefert worden.
Große Fortschritte in der Überwachung
„Wir sind in dieser Zeit eng zusammengewachsen“, bilanzierte Lauterbach die vergangenen Monate, die nicht nur unter dem Eindruck des Kriegsgeschehens in der Ukraine standen, sondern auch immer noch unter der SARS-CoV-2-Pandemie. Für Lauterbach sei es wichtig gewesen, aus dieser Pandemie zu lernen und sich für künftige besser zu wappnen. „Es ist nur eine Frage der Zeit, wann die nächste uns erreicht“, sagte Lauterbach und sprach in diesem Zusammenhang auch über die Folgen des Klimawandels. Die COVID- 19-Pandemie habe deutlich gemacht, wie eng die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt verbunden ist und welche Bedeutung damit auch der „One Health“-Ansatz für die globale Gesundheit habe. So gehöre es auch zu den Erfolgen der G7-Präsidentschaft Deutschlands, dass am Rande des World Health Summit in Berlin der „One Health Joint Plan of Action“ vorgestellt wurde. Damit sei man Lauterbachs Ziel, eine Welt zu schaffen, die besser in der Lage ist, Gesundheitsbedrohungen zu verhindern, vorherzusagen, zu erkennen und darauf zu reagieren, ein großes Stück nähergekommen.
Anfang Oktober hatten zudem sechs Bundesministerien eine neue gemeinsame Forschungsvereinbarung veröffentlicht, die zum Ziel hat, den „One-Health“-Ansatz in der Gesundheitsforschung zu stärken und die seit 2007 bestehende Forschungsplattform für Zoonosen zu einer Forschungsplattform für „One Health“ weiterzuentwickeln. Inmitten von Berlin konnte zudem das WHO Hub for Pandemic and Epidemic Intelligence angesiedelt werden, das mithilfe von Daten entstehende Pandemien erkennen kann, bevor sie unaufhaltsam werden.
Um auch national besser gewappnet zu sein, habe man sich im Koalitionsvertrag auf die Errichtung eines Bundesinstituts für öffentliche Gesundheit geeinigt, so Lauterbach. Um auch einen Sprung nach vorn in Sachen Digitalisierung zu machen, sei in der ersten Jahreshälfte 2023 ein entsprechendes Gesetz vorgesehen, so der Minister.
„Stille Pandemie“ bleibt große Herausforderung
Während die COVID-19-Pandemie allmählich ihren Schrecken verliert, hat die sogenannte „stille Pandemie“ der AMR zuletzt wieder an Fahrt aufnehmen können. Die Weltgesundheitsorganisation(WHO) warnt in diesem Zusammenhang vor der „größten globalen Bedrohung der Menschheit“. Das liege unter anderem am fehlenden Nachschub an wirksamen Antibiotika. Die Forschung stocke, weil sie immer teurer und komplexer werde und Anreize fehlten, so Lauterbach. Daher wurde im Abschlussdokument der G7 festgehalten, dass man neue Anreize für die Forschung entwickeln will. Lauterbach sprach in diesem Zusammenhang von „guten Ideen“, die aber „noch nicht vollständig“ seien. Er erhoffe sich da mehr. In Deutschland hat der Gemeinsame Bundesausschuss kürzlich beispielsweise drei Antibiotika-Wirkstoffe, die speziell gegen multiresistente Erreger zugelassen wurden, als Reserveantibiotika eingestuft und ihnen damit auch automatisch einen Zusatznutzen attestiert. Das ist aus Herstellersicht erfreulich, doch die Erstattung im Krankenhaus sei damit längst noch nicht angemessen.
Klar müsse jedenfalls sein, dass die bisherigen Erstattungsmodelle, bei denen viel Einsatz viel Umsatz bringt, ausgedient haben. Lauterbach bedauert, dass Japan, das den G7-Vorsitz im Januar übernimmt, das Thema AMR bislang nicht auf seiner Agenda gesetzt hat. „Die Bemühungen in diesem Bereich müssen weitergehen“, forderte der deutsche Gesundheitsminister. Dabei sollte es nicht nur um weitere Forschungsanreize gehen, sondern auch um die Überwachung des Einsatzes. In diesem Zusammenhang könnte beispielsweise auch die Abwasserüberwachung, die während der Corona-Pandemie eine wichtige Rolle zu spielen begann, zum Einsatz kommen. „Sie wird immer wichtiger“, erklärte Lauterbach. Er erhoffe sich davon zum Beispiel, Fehleinsätze erkennen zu können. Grundsätzlich müsse der Einsatz von Antibiotika viel gezielter erfolgen, so Lauterbach. Welche Bakterien auf welche Antibiotika reagieren, könne man mittlerweile immer besser vor dem Einsatz testen.
Das Geld ist knapp
Es gebe alles in allem noch eine Menge zu tun, erklärte Lauterbach. Doch die finanziellen Mittel seien leider begrenzt – auch in Deutschland, das sich aktuell einer in einer Energiekrise befände und der Inflation zu trotzen versuche. Roland Göhde, Mitbegründer der Virchow-Stitzung für Globale Gesundheit und Vorstandsvorsitzender der German Health Alliance, wollte dennoch von Lauterbach wissen, wie man in Zeiten der aktuellen globalen Krisen „von einem bisher eher projektbezogenen, sehr kurzfristigen jährlichen Fördermechanismus für zum Beispiel den Global Health Hub Germany, World Health Summit etc. zu einem institutionalisierten und damit kontinuierlicheren, robusteren und verlässlicheren Gestaltungs- und Strukturierungsmechanismus“ kommen könne. Sein Ministerium erwäge diesbezüglich durchaus Verbesserungen, erklärte Lauterbach, blieb dann aber schwammig: „Der World Health Summit war ein großer Erfolg in Berlin“ und man wolle definitiv weiter in das WHO Hub investieren.
Auf die Frage von Pia Grass von Gilead Sciences, was er über eine gute Gesundheitsversorgung als Thema der „nationalen Sicherheit“ und die Rolle der Wirtschaftspolitik und der transatlantischen Beziehungen in diesem Zusammenhang denke, warnte Lauterbach vor dem möglichen Einsatz biologischer Waffen und sprach sich für eine intensive Pandemieüberwachung aus. Mit keinem Wort erwähnte er in diesem Zusammenhang allerdings die als kritisch eingestufte Arzneimittelabhängigkeit von China und auch Indien, die Experten immer wieder als geopolitisches Risiko betrachten – und zwar nicht erst seit der Konflikt um Taiwan entbrannt ist.