Systemische Ausschreibungen – Mit System zu mehr Gesundheit
Es ist eine altbekannte und weitverbreitete Herausforderung: Infrastrukturinvestitionen im Gesundheitssektor von Entwicklungs- und Schwellenländern koönnen oftmals nicht ihr volles Potenzial entfalten und Neuanschaffungen sogar teilweise überhaupt nicht verwendet werden. Gründe sind z. B. bei Neuanschaffungen eine mangelhafte Berücksichtigung der Kompatibilität mit den Gegebenheiten vor Ort. Hinzu kommen unzureichende Betriebs- und Wartungskonzepte sowie nicht ausreichende Anwenderschulungen.
Durch „systemische Ausschreibungen“ kann hier erhebliches Verbesserungspotenzial genutzt werden, denn damit wird schon im Vergabeverfahren ein systemischer Projektansatz bzw. eine ganzheitliche Betrachtungsweise fest im Vorhaben verankert. Bei einer systemischen Ausschreibung – und damit einer Ausschreibung funktionaler Einheiten oder Systeme nach funktionalen Kriterien oder Leistungskriterien – steht die für den Erfolg einer komplexen Infrastrukturinvestition erforderliche Systemumstellung im Vordergrund. Das heißt, dass der gesamte Betriebsablauf der betroffenen Einheit oder Einrichtung in den Blick genommen wird.
Das Augenmerk liegt dabei darauf, inwieweit der Betriebsablauf für eine optimale Nutzung der technischen Neuanschaffung sowie für einen reibungslosen Betrieb insgesamt umgestellt werden kann, welche personellen und finanziellen Ressourcen dafür erforderlich sind und wie diese dauerhaft generiert werden können. Ein solches Vorgehen schärft das Bewusstsein für das Ausmaß und die Bedeutung der nötigen Reformen und hat damit erhebliches Potenzial, eine bestehende Arbeitskultur nachhaltig zu beeinflussen. Im Ergebnis führt dies zu Qualitätssteigerungen in der Behandlungspraxis und dazu, dass der Nutzen der Neuanschaffung auf Ebene der Patienten optimiert wird.
Zur Erschließung des Potenzials systemischer Ausschreibungen in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit (EZ) rief die German Healthcare Partnership (GHP, seit Juli 2019: GHA – German Health Alliance) Anfang des Jahres 2012 die Initiative „Dialog systemische Ausschreibungen im Gesundheitssektor“ ins Leben. Die im Rahmen dieser Initiative in Auftrag gegebene vorliegende Studie bereitet spezifische Fragen der Technischen Zusammenarbeit (TZ) auf.
Unterschiede zwischen normalen und systemischen Ausschreibungen
Normale Ausschreibungen umfassen üblicherweise die Lieferung und Installation von Geräten bzw. Produkten und Lösungen. Im Gegensatz dazu berücksichtigen systemische Ausschreibungen die Gesamtperformance des Systems über den gesamten Lebenszyklus, beginnend mit Planung, Lieferung, Installation, Langzeitwartung, Training bis hin zu den Lebenszykluskosten und z.T. dem operationellen Management des Systems.
Vorteile systemischer Ausschreibungen
- leisten einen Beitrag zur Etablierung von Nachhaltigkeit in den Gesundheitseinrichtungen u.a. über die Berücksichtigung von Lebenszykluskosten und Wartungsverträgen
- verbessern den Prozessfluss von Planung und Durchführung; das Know-how und die Erfahrung der Bieter wird für die Optimierung der Leistungen genutzt
- vereinfachen die vor der Installation erforderliche Koordinierung der Voraussetzungen zwischen dem individuellen Serviceprovider und dem Gerätelieferanten