Im Rahmen des zweiten gemeinsamen Webinars der GHA – German Health Alliance, des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft sowie Rödl & Partner am 26. April tauschten sich über 40 Teilnehmerinnen und Teilnehmer über die aktuellen Rahmenbedingungen bei der Zertifizierung und Vertrieb von Impfstoffen, Medizin- und Labortechnik in Russland und Zentralasien aus. Als treibende Kraft für Marktreformen wurde die Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU) ausgemacht, die das Ziel hat, die Gesundheitsmärkte ihrer Mitgliedsländer zu einem großen Markt zu harmonisieren. Weiterer Reformdruck entsteht durch die Bekämpfung der Corona-Pandemie.
Zu den Schwerpunkten des ersten Vortrags über aktuelle rechtliche Rahmenbedingungen von Tatiana Vukolova, Associate Partner bei Rödl & Partner, gehörten das beschleunigte Registrierungsverfahren für Impfstoffe, die Erschließung des russischen Marktes für Medikamente, die Teilnahme an staatlichen Ausschreibungen sowie die Lokalisierung der Medikamentenherstellung in Russland. Die Versorgung mit Pharmaerzeugnissen über regionale und föderale Beschaffungsprogramme sowie die Medikamentenkäufe der staatlichen Krankenhäuser beliefen sich 2020 nach Angaben der GTAI auf etwa 36 Prozent des Gesamtmarktes. Vor diesem Hintergrund seien Besonderheiten im staatlichen Sektor zu beachten, wie der Abschluss von Lebenszyklus-Verträgen, die Lieferung und Wartung während des Betriebs der Ausrüstung umfassen, oder die hohen Bußgelder bei Nichterfüllung verträglicher Verpflichtungen.
Wachsender Lokalisierungsdruck
Aufgrund der weiteren Entwicklung und Förderung des EAWU-Marktes steige der Lokalisierungsdruck für deutsche Unternehmen. So wurde in der EAWU zum 1. Januar 2021 ein Mindestanteil bei der staatlichen Beschaffung bestimmter Warengruppen aus der EAWU vorgeschrieben, darunter fallen medizinische Produkte und Geräte. Im Rahmen öffentlicher Ausschreibungen werden Anträge ausländischer Unternehmen pauschal abgelehnt, sollten gleichzeitig zwei Anträge aus der EAWU vorliegen („Drei sind einer zu viel“-Prinzip). Tatiana Vukolova schilderte die Voraussetzungen zum Erhalt des Status „Made in Russia“, um weiter an staatlichen Ausschreibungen partizipieren zu können.
Fortschreitende EAWU-Harmonisierung und Begutachtung im Remote-Modus
Michael Quiring, Partner und Local Direktor für Zentralasien bei Rödl & Partner berichtete aus Almaty über die aktuelle Situation im staatlichen Gesundheitswesen und den Impfprozess gegen Covid-19 in Kasachstan. Etwa 380.000 Personen (rund zwei Prozent der Bevölkerung) seien seit dem 15. Februar 2021 geimpft worden.
Des Weiteren ging Quiring auf die Integrations- und Harmonisierungsprozesse innerhalb der EAWU ein. Generell sei die Lage von zunehmender Transparenz und Annäherung geprägt. Bei Importen aus Drittstaaten fielen aber zurzeit Zoll, Zollabwicklungsgebühren, Einfuhrumsatzsteuer und gegebenenfalls Akzisen an, die in den Staaten der Eurasischen Wirtschaftsunion noch sehr unterschiedlich ausfallen können. Im Rahmen des EAWU-Integrationsprozesses wurde eine Kennzeichnungspflicht für eine Reihe von Produkten und Waren eingeführt. Ab dem 1. Januar 2022 gehört die Warengruppe der Arzneimittel dazu.
Aufgrund des Ausbaus medizinischer Kapazitäten im privaten Sektor in Kasachstan und Usbekistan wachse die Attraktivität der Märkte für deutsche Medizintechnikhersteller. Die Erschließung des usbekischen Marktes sei über Kasachstan möglich. Kooperationen im Rahmen von Public Private Partnerships seien besonders relevant für Usbekistan. Bei allen Herausforderungen im Zuge der Pandemiebekämpfung führe die Situation auch zur Effizienzsteigerungen und Kostenreduzierungen, so Quiring weiter. Ein konkretes Beispiel sei im Zulassungsverfahren für medizinische Erzeugnisse integriert. Seit dem 1. Januar 2021 erfolge die Begutachtung der Produktion medizinischer Erzeugnisse pandemiebedingt virtuell – im Remote-Modus.
Im zweiten Teil des Webinars berichteten Anbieter von IT-Infrastruktur für die Pharmaindustrie und Medizintechnik über Projekte und Herausforderungen auf diesen dynamischen Märkten und holten sich den Rat der Experten ein. KMU-Unternehmen blicken demnach den Harmonisierungsprozessen in der EAWU insgesamt hoffnungsvoll entgegen und warten ab, bevor sie neue Produkte auf den Markt bringen. Man hoffe auf schnellere und schlankere Registrierungs- und Kennzeichnungsprozesse.
Autorin: Petra Hristova
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